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1. Warum Feminismus beim Klimaschutz enorm wichtig ist und 2. warum ich dieses Jahr keine Laterne selbst basteln werde

Feminismus und Klimaschutz zusammen: brauchen wir das wirklich? “Wir tun doch schon so viel fürs Klima” und “Wir sind doch alle längst gleichberechtigt” sind beliebte Ausflüchte von Leuten, die sich mit beiden Themen nicht näher befassen wollen (die passenden Konter zum gleichnamigen Buch findest Du übrigens hier).

Doch wie hängen Feminismus und Klimaschutz zusammen? Schauen wir mal zuerst, was Frauen ganz konkret mit dem Klimaschutz bzw. der Klimakrise zu tun haben.

Klimaschutz_feministisch_Laterne_selbst_basteln
Foto von Miguel Bruna auf Unsplash

Frauen tragen weniger zur Klimakrise bei

Fakt ist: Frauen leiden überdurchschnittlich stärker an den Folgen der Klimakrise und das obwohl sie weniger dazu beitragen. (Mehr zu den Auswirkungen der Klimakrise auf Frauen und warum sie stärker davon betroffen sind erfährst Du hier.)

Auch wenn viele das erstmal nicht glauben können (oder wahrhaben wollen), sind es tatsächlich die Gebildeten und Gutsituierten unter uns, oftmals auch die, die sich für ausgesprochen klimafreundlich und umweltbewusst halten, in Wahrheit aber die wahren Klimakiller sind. Denn, eigentlich ganz logisch, wer mehr Geld hat, kann auch mehr ausgeben. Beispielsweise für das größere Haus, das zweite oder dritte Auto, die jährliche Fernreise mit dem Flugzeug oder die Kreuzfahrt (eine der Studien dazu gibt es hier).

Level 1 stellt hier die Menschen dar, die mit weniger als 1$ am Tag auskommen, kein nahrhaftes Essen haben, auf dem Lehmboden schlafen und keinen Zugang zu fließendem Wasser haben. Die Mehrheit der Deutschen lebte bis zum Jahr 1829 auf Level 1, seit dem Jahr 1976 leben wir in Deutschland auf Level 4, dem Stand den wir heute kennen: fließend Warmwasser im Haus, ein Auto und nahrhaftes Essen. (All das und noch mehr spannende Hintergründe zu dieser Grafik findest Du im Buch “Factfulness” von Hans Rosling und bei Gapminder.)
Grafik kostenlos verfügbar unter Gapminder

Je reicher eine Gesellschaft oder ein Land also ist, desto mehr CO2 wird verursacht. Die gleiche Regel lässt sich auch innerhalb einer Gesellschaft anwenden. So schwankt auch in Deutschland der CO2-Ausstoß pro Kopf: Während der Durchschnittswert gute 10 Tonnen pro Kopf beträgt, verursachen die ärmsten 10 % nur rund 7 Tonnen CO2 und die reichsten 10 % wiederum 17,7 Tonnen CO2 pro Kopf pro Jahr.

Und da Frauen leider immer noch weniger verdienen als Männer, insbesondere Mütter verdienen deutlich schlechter, ob nun als Alleinerziehende oder Verheiratete, sind sie für weniger CO2-Emissionen verantwortlich und tragen demnach auch weniger zur Klimakrise bei.

Dafür sind sie dann im Bereich Klimaschutz wieder ganz vorne mit dabei, denn:

Die meisten Klimaschutz Tipps fallen in den klassischen Aufgabenbereich von Frauen

Denn, wer sich in der Klimaschutz-Ratgeberlandschaft auskennt merkt: die meisten Klimatipps, fallen in den “klassischen” Aufgabenbereich von Frauen. So z.B. Müll vermeiden, frisch und verpackungsfrei kochen, Dinge selber machen, Wäsche aufhängen usw.

Klingt ja alles schön und gut. Aber wer bitte soll das leisten? Bzw. wer bitte kann sich das leisten? Achso, ja stimmt. Die Frauen. Die sind ja eh zuhause…

Und so dürfen hauptsächlich Frauen sämtliche Tipps umsetzen (bzw. ausbaden), die die Ratgeberlandschaft so hergeben. Sie dürfen (bzw. sollten):

  • Stoffwindeln wechseln und waschen,
  • bitte unbedingt stillen statt Flasche geben (aber dabei bloß nicht zu viel Unterstützung erwarten, denn, Achtung, jetzt kommt mein “Lieblingsspruch”: Früher haben die Frauen das auch einfach so hinbekommen, obwohl sie auf dem Feld arbeiten mussten!),
  • bitte zusätzlich den Haushalt stemmen, aber ohne Chemie,
  • die Wäsche waschen, aber bitte aufhängen und nicht maschinell trocknen.
  • Und wenn dann abends noch Zeit ist, bitte noch ein paar Spülschwämme häkeln, kostenlose Anleitung gibt es hier, ist auch ganz leicht…

(Nichts für ungut, aber das aller aller aller letzte was ich aktuell machen möchte, ist mich abends hinsetzen und einen Spülschwamm häkeln. Aktuell muss ich abends arbeiten, obwohl ich müde bin, mein Mann kümmert sich in der Zeit um Katzenklo, Geschirr und Wäsche und manchmal unterhalten wir uns sogar noch kurz, falls wir nicht beide um 22 Uhr umfallen…)

Zudem darf das Essen sehr gerne aus dem eigenen Garten kommen, natürlich nicht alles, aber ein paar Kräuter auf dem Balkon sollten es schon mindestens sein. Die Geburtstagsgeschenke sollten bitte nachhaltig sein und zudem originell verpackt, aber bitte auch so, dass es schön aussieht, aber wie gesagt, bitte ohne Müll.

Und wenn es mal was zu feiern gibt, ist ja wohl das mindeste, dass Mami einen Kuchen backt. Einen kaufen ist lieblos und außerdem fällt da immer so viel Müll an. Es gibt ja mittlerweile auch ganz tolle vegane Rezepte… Und dank Internet kann Mutti auch eine mehrschichtige vegane Einhorntorte mit Regenbogensmartiefontäne in der Mitte machen, dank Schritt für Schritt Anleitungen ja alles gar kein Problem.

Sieht doch eigentlich gar nicht so schwer aus, oder???
Foto von Joshua Hoehne auf Unsplash

Zusätzlich zu diesen ganzen Aktionen, kommen noch die ganzen unsichtbaren Aufgaben, der sogenannte Mental Load dazu (der ist schon ohne den Aspekt “Klimaschutz” beachtlich, wenn der noch mitgedacht werden muss, wird es einfach nur noch blöd…):

  • überlegen wann die Kinder mal wieder neue Klamotten brauchen (und alles in Bioqualität und fair einkaufen),
  • Aktivitäten planen (aber bitte möglichst klimafreundlich)
  • recherchieren welche BPA-freie Brotdose das Kind in den Kindergarten nehmen soll… Selbige muss natürlich mit einem biologischen und vollwertigen Essen gefüllt werden (aber bitte auch so, dass das Kind es auch wirklich isst und nicht gegen eine Bifi eintauscht)
  • usw. usf.

Noch Fragen?

Angeblicher Fortschritt beim Klimaschutz, doch Rückschritt beim Feminismus

Frauen werden im Namen vom Klimaschutz nur noch mehr beschäftigt gehalten

Frauen sorgen durch ihre Arbeit im Haushalt und in der Kindererziehung, dass seit Hunderten von Jahren Männer genährt und gekleidet zur Erwerbsarbeit gehen können und werden nicht selten dabei in die Altersarmut getrieben (Quelle: das oben schon erwähnte, so wichtige Buch von Alexandra Zykunov).

Jetzt sollen sie noch zusätzlich dafür sorgen, dass wir etwas weniger Müll produzieren und dass wir vielleicht doch irgendwie unsere Klimaziele einhalten.

Die derzeit überall kursierenden Tipps für ein natürlicheres und viel nachhaltigeres Leben und wie wir das alles ganz einfach erreichen können, sorgen jedoch für noch mehr unbezahlte Beschäftigung der Frauen.

Man könnte fast meinen, dass die Frauen beschäftigt gehalten werden. Insbesondere nach den ersten 50 Seiten von “Wir sind doch alle längst gleichberechtigt”, kommt bei mir der Gedanke auf, dass das dem Patriarchat ganz gut in den Kram passt, denn:

Während wir Frauen dabei sind, ganz umwelt- und pflichtbewusst

  • Stoffflicken auf die Hosen vom Nachwuchs zu nähen,
  • ihnen die Stoffwindeln zu wechseln,
  • unsere Wäsche mit selbst angerührtem Waschmittel zu waschen und danach aufzuhängen, da wir natürlich keinen Trockner besitzen,
  • für die gesamte Familie ein nahrhaftes, unverpacktes und biologisches Essen zuzubereiten
  • und mit einem natürlichen und nachhaltig gewachsenen Reisigbesen einmal durch die Wohnung kehren, (all das lächelnd, stets mitfühlend und niemals genervt oder gar schreiend!!!),

können wir nämlich nicht demonstrieren gehen, gegen die unfassbar klimaschädliche (Männer-)Politik, die weiterhin betrieben wird, die immer noch zum Himmel stinkende Ungerechtigkeit bei der Bezahlung und uns gegen das Patriarchat auflehnen. Wo kämen wir da nur hin???

Und so bleiben die Strukturen wie sie sind. Care-Arbeit (und auch Klimaschutz im Alltag) ist weiterhin nichts wert, alles was zählt ist Wirtschaftswachstum.

Also lieber den Müttern ein schlechtes Gewissen machen, wenn sie ihre Kinder bei Eis und Schnee mit dem Auto zur Schule fahren statt mit dem Fahrrad, sie Helikoptermütter nennen und ihnen einen Kindergartenplatz 30 Minuten vom Wohnort entfernt anbieten, als zum Beispiel, sagen wir mal, ein Tempolimit einzuführen???

Alles kann, nichts muss! Die Wäscheleine bleibt leer…

Wer Spaß an all den aufgezählten Aktivitäten findet, wie z.B. einen Spülschwämme zu häkeln, sehr schön! Ich möchte hier auch nicht gegen Frauen lästern, die gerne häkeln oder basteln, das ist das Letzte was ich möchte!

Mir ist wichtig, dass alle Frauen sich eigenständig, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen, für oder auch gegen solche Klimatipps entscheiden können. Und eben nicht dasitzen und denken “vielleicht sollte ich mal…” Das darf und soll so nicht sein!

Wie wir unsere letzten Minuten Freizeit gestalten, sollte nach Lust und Laune entschieden werden und nicht durch ein schlechtes Gewissen beeinflusst werden.

Und so bleibt bei mir die Wäscheleine immer öfter einfach leer. Empfindliche Teile hänge ich (bzw. mein Mann) natürlich weiterhin auf. Doch die große Masse, wird mittlerweile mit guter Laune und bestem Gewissen einfach in den Trockner geschmissen 🙂
Foto von Hayley Clues auf Unsplash

Muss ich wirklich eine Laterne selbst basteln?

Und kommen wir nun zu der Laterne. Man stelle sich einmal vor, die Erzieherinnen aus dem Kindergarten basteln dieses Jahr keine Laternen mit den Kindern! Ja, ihr habt richtig gehört. Anscheinend sind sie aktuell so unterbesetzt (noch so ein Problem, das niemanden genug interessiert) und zusätzlich zu dem misslungenen Umzug, von dem ich bald berichten werde, so ausgelastet, dass sie es wagen, nicht mit den Kindern zu basteln… (Diese Tatsache hat übrigens für eine mindestens 30-minütige, empörte Diskussion beim Elternabend gesorgt, den ich diesmal leider verpasst habe…)

Sollte ja nicht so dramatisch sein. Müssen wir halt die Laterne selbst basteln. Hm, wirklich? Wollen wir nicht einfach eine kaufen? Hm, aber produziert das nicht wieder unnötigen Müll? Sollten wir nicht doch lieber eine Laterne selbst basteln?

Warum eigentlich? Ich bin diese ständigen Tipps und Tricks, wie wir alles ganz einfach selber machen können, mittlerweile so Leid. Tut mir Leid, aber ich habe neben meiner Care-Arbeit mit drei Kindern und meinem Buch das gerade erschienen ist und sich leider nicht von alleine vermarktet und dem Blog den ich mir eigenständig aufgebaut habe (so ein Cookie Banner entwirft sich nämlich auch nicht von selbst) eigentlich wirklich genug zu tun, als mich mit drei (!!!) Kindern hinzusetzen und drei (!!!) Laternen zu basteln.

Und auch mein Mann hat aktuell zwischen Erwerbs- und Care-Arbeit kaum eine ruhige Minute, in der er mal eben drei ganz individuelle Laternen selbst basteln könnte.

(Und mal ehrlich, am Ende wäre es doch eh so, dass mein Mann und ich das ganze fertig stellen würden, während die Kinder schon längst schlafen…)

Und so wütend und bestimmt ich hier auch klingen mag. Das schlechte Gewissen um den eigentlich doch unnötigen Plastikmüll überwiegt bei mir meistens doch. So, dass ich mir dann meistens doch die zusätzlichen Aufgaben, die es so zu erledigen gibt, aufbürde.

Am Ende hat sich mein Mann zum Glück durchgerungen – er lässt sich nicht ganz so schnell ein schlechtes Gewissen machen wie ich – und drei ganz hübsche, fertige und super individuelle Laternen gekauft, samt Licht und Stab (hey, immerhin aus Holz!!).

Nicht perfekt, ich weiß, aber dieses Jahr die einzige Lösung, mit der alle zufrieden sind..

Und um den unnötigen Müll auszugleichen, gehe ich stattdessen einfach auf die nächste Klimaschutz Demo.

Vielleicht kann ich ja auch die Kinder mitnehmen. Lautstark gegen Regeln protestieren, die für sie keinen Sinn ergeben, das können sie gut! Ich glaube, ich sollte mir in Zukunft häufiger ein Beispiel an ihnen nehmen...

Mehr zum Thema findest Du hier:  

Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, Klimagerechtigkeit und Geschlecht: Warum Frauen besonders anfällig für Klimawandel & Naturkatastrophen sind. DGVN (2016): Klimagerechtigkeit und Geschlecht: Warum Frauen besonders anfällig für Klimawandel & Naturkatastrophen sind. Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V., Berlin. https://dgvn.de/meldung/klimagerechtigkeit-und-geschlecht-warum-frauen-besonders-anfaellig-fuer-klimawandel-naturkatastroph/ (28.12.2021)

Gunda-Werner-Institut, Ohne geht’s nicht. Klimagerechtigkeit braucht Feminismus. Gunda-Werner-Institut / Heinrich Böll Stiftung (2020): Ohne geht’s nicht. Klimagerechtigkeit braucht Feminismus. https://www.gwi-boell.de/de/2020/11/06/ohne-gehts-nicht-klimagerechtigkeit-braucht-feminismus (28.12.2021)

Alexandra Zykunov, “Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!” 25 Bullshitsätze und wie wir sie endlich zerlegen. Ullstein Verlag 2022.

This Post Has 2 Comments

  1. Annika

    Wie wäre es mal mit einer Laterne vom Vorjahr? Dann muss man nicht immer eine neue herzaubern… 🙂

    1. Nini

      Da hast Du sehr Recht! Wir haben auch noch welche vom Kindergarten vom Vorjahr… allerdings sind die im Keller und nicht auffindbar. Unser Keller ist derzeit so vollgestopft mit Kram, weil ich nie weiß wohin damit. Aufheben, verkaufen, verschenken? Vieles muss wohl oder übel auch weggeworfen werden.. Dazu gibt es bald auch noch einen Beitrag..

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