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4 Gründe warum das Wochenbett der falsche Zeitpunkt zum Müll vermeiden ist

Selbst wenn wir bisher nicht sonderlich Öko waren, kommen wir spätestens in der Schwangerschaft und allerspätestens im Wochenbett mit den Themen Bio, Müll vermeiden und plastikfrei in Berührung. Denn Babyprodukte sind nicht ohne Grund sehr oft in Bioqualität verfügbar. Und wer will schon riskieren, das eigene, kleine und so empfindliche Baby irgendwelchen Schadstoffen auszusetzen?

Und so dauert es nicht lange und wir sind tief drin im Nachhaltigkeitsdschungel, der voll ist von Kleidung aus natürlich gefärbter Biobaumwolle, Kleidung aus Wolle/Seide, Schnullern aus Naturkautschuk und natürlich sehr, sehr vielen Mehrwegprodukten, deren Handhabung doch meist um einiges komplizierter ist, als deren Konkurrenz in Wegwerfausführung.

Und auch wenn die Verwendung von waschbaren Wochenbett Einlagen / Stilleinlagen / Windeln grundsätzlich sinnvoll ist, so ist es wirklich eine sehr schlechte Idee, wenn wir ausgerechnet am Anfang, wenn wir gerade erst in unseren Alltag mit Neugeborenem starten, versuchen Müll zu vermeiden.

Und je nachdem wie Öko wir bereits vor der Schwangerschaft waren, können unsere Nachhaltigkeitsambitionen Ausmaße annehmen, die uns schnell überfordern können. Bei mir zum Beispiel, war es nach der Geburt vom zweiten Kind deutlich schlimmer, weil ich unbedingt diese wahnsinnigen Müllberge an Windeln vermeiden wollte, die ich noch vom ersten Kind kannte. Und zwar am Besten von Anfang an.

So hatte ich die berühmte Nestbauphase dazu genutzt und alles mögliche gerichtet, für einen möglichst biologischen und müllfreien Start für unser zweites Baby. (Ich fühlte mich immer noch ganz schlecht, dass ich bei unserem ersten Kind erst nach sechs Monaten auf die Idee gekommen war, mit Stoff zu wickeln…)

Wochenbett
Foto von Kelly Sikkema auf Unsplash

Doch rückblickend betrachtet, war das keine gute Idee, weil ich mich durch meine eigenen Ansprüche unnötig stresste. Und wenn ich heute ganz ehrlich bin, denke ich mit sehr gemischten Gefühlen an meine Wochenbettzeit zurück. Ja, es war schön, teilweise sogar magisch. Doch überwog an vielen Tagen die Erschöpfung, die Überforderung und der Schlafmangel. Und jedes Mal, wenn mein Mann und ich versuchten verpackungsfrei und/oder frisch zu kochen oder unser mit Biomulltüchern gewickeltes Baby ausschließlich mit Waschlappen aus Biobaumwolle abzuwischen, ging uns kostbare Zeit flöten. Zeit, die wir im Nachhinein lieber mit unserem Baby verbracht hätten, als beim einkaufen / kochen / waschen…

Damit Du nicht die gleichen Fehler machst wie ich damals, hier meine Liste für Dich.

1. Das Wochenbett kommt nie wieder

Das Wochenbett ist die Zeit, in der wir unser Baby endlich richtig kennen lernen können, in der wir uns als kleine Familie neu sortieren. Und vor allem ist es auch eine sehr emotionale und herausfordernde Zeit, insbesondere wenn wir eine schwierige Geburt hatten oder unser Neugeborenes nach der Geburt in der Klinik behandelt werden musste.

Ohne großen Druck machen zu wollen, will ich Dir ans Herz legen, das Wochenbett so gut es geht zu genießen. Das Wochenbett dauert 8 Wochen, das Frühwochenbett 10 Tage. Versuch lieber, die restlichen 10 Monate des Jahres Müll zu vermeiden (Fehler die es dabei zu vermeiden gibt, findest Du hier), statt Dir diese ohnehin schon herausfordernde Zeit durch unnötigen Stress zu vermiesen.

2. Am Anfang haben wir ganz andere Bedürfnisse und die Dinge die wir brauchen, demnach eine kurze Nutzungsdauer

Allzu perfektionistisch an Dinge ranzugehen ist meistens eine schlechte Idee, zumindest wenn man ein zufriedenes Leben führen möchte. Für eine so kurze und intensive Zeit wie das Wochenbett, ist es zusätzlich auch wirklich unwirtschaftlich. Denn die Dinge, die wir speziell für die erste Zeit mit Baby brauchen, brauchen wir danach nicht mehr, zumindest nicht in dieser Menge.

Bevor Du also losgehst und viele Mehrwegprodukte kaufst, dass Du müllfrei in Dein Familienleben starten kannst, lies hier weiter:

Wochenbett Einlagen

Wochenbett Einlagen gibt es mittlerweile auch aus Biobaumwolle zum waschen und wiederverwenden. Auch wenn ich ein großer Fan von Mehrwegprodukten bin, bin ich bei den meisten Produkten, die speziell auf das Wochenbett zugeschnitten sind, eher skeptisch. Denn erstens, wird es ziemlich teuer, wenn wir versuchen unseren gesamten Wochenfluss mit Wochenbett Einlagen aus Baumwolle aufzufangen und zweitens, wirklich stressig. Denn irgendjemand muss ja schließlich die Einlagen waschen, dass wir wieder genug Nachschub haben, denn gerade in den ersten Tagen ist der Verschleiß riesig.

Stoffwindeln für Neugeborene

Das Gleiche gilt für Stoffwindeln für Neugeborene. Denn erstens, passen diese extra kleinen Windeln den meisten Babys nicht sehr lange – d.h. sie amortisieren sich nicht – und zweitens, ist die Nutzung von Stoffwindeln wirklich nicht so leicht und intuitiv, wie manche Stoffwindelwebsites behaupten. Wenn es richtig doof läuft, sorgen Stoffwindeln am Anfang dafür, dass wir riesige Wäscheberge haben, super hohe Kosten und am Ende dann doch, berechtigterweise, zu den Wegwerfwindeln greifen.

Und mal ehrlich, wer braucht in dieser eh schon sensiblen Zeit noch zusätzlichen Stress?!

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Foto von zelle duda auf Unsplash

Wiederverwendbare Stilleinlagen

Entscheiden wir uns zu Stillen, kann das sehr herausfordernd sein, insbesondere in den ersten Tagen (hilfreiche Tipps dazu hier). Wenn der Milcheinschuss kommt, kann es passieren, dass man selbst mit den saugfähigsten Stilleinlagen, sich mehrmals am Tag umziehen muss. Und wie immer, auch wenn Stilleinlagen aus Stoff in der Theorie eine tolle und vor allem preiswerte Sache sind, was die Saugfähigkeit angeht, kommen sie nicht ansatzweise an die herkömmlichen Stilleinlagen heran.

Ich beispielsweise gehöre zu den Frauen, die einen wirklich starken Milchspendereflex haben und ich hatte nie Probleme mit dem Milcheinschuss. Eher im Gegenteil. Und irgendwann an Tag 5 nach der Geburt, hatte ich plötzlich nichts Stilltaugliches mehr zum Anziehen, einfach weil die Stilleinlagen aus Stoff die ganze Milch nicht auffangen konnten und ich ständig ausgelaufen bin.

Daher empfehle ich, für den Anfang sehr saugfähige Einweg Stilleinlagen zu verwenden. Wenn sich alles eingespielt und der Milchfluss sich etwas eingependelt hat, kannst Du immer noch Mehrweg Stilleinlagen benutzen.

Foto von Luiza Braun auf Unsplash

3. Ein gutes Wochenbett legt die Grundlage für später

Haben wir am Anfang genug Zeit und Ruhe sorgen wir unter anderem auch dafür, dass das Stillen funktioniert. Denn Stillen klappt dann am Besten, wenn wir viel Zeit mit unserem Baby verbringen, idealerweise Haut an Haut. Statt uns also wegen Kleinigkeiten, wie einem Pizzakarton, Einweg Stilleinlagen oder Wegwerfwindeln zu stressen, sollten wir uns lieber auf folgendes konzentrieren:

Indem wir unser Baby ausschließlich stillen, tun wir nicht nur unserem Körper (es unterstützt die Rückbildung) und unserem Baby (es hat wahnsinnige gesundheitliche Vorteile) etwas Gutes, sondern auch der Umwelt und dem Klima. Denn, durch 6-monatiges ausschließliches Stillen, können wir über 100 kg CO2-Emissionen vermeiden (Joffe et al. 2019). Und dadurch mehr Emissionen und mehr Müll, als wenn wir uns anfangs wegen ein paar Windeln oder Stilleinlagen stressen.

Also, bleib mit Deinem Partner oder Deiner Partnerin im Bett liegen, bestellt Euch diese leckere Pizza und pfeift auf den Karton. Ihr habt es Euch verdient! Und wenn es Euch wichtig ist weniger Müll zu verursachen, dann habt ihr bald noch genug Zeit dafür.

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Foto von David Veksler auf Unsplash

(Außerdem minimierst Du durch Schonung im Wochenbett Dein Risiko für Spätschäden wie Senkungen oder andere Beckenbodenbeschwerden, wodurch Du wiederum Operationen vorbeugst. Und Operationen sind allein durch die verwendeten Narkosegase richtige Klimakiller, und auch für uns persönlich nicht wirklich erstrebenswert.)

4. Wenn wir uns auf den Müll konzentrieren, verlieren wir das Wesentliche aus den Augen

Wir sind uns alle einig, dass es zu viel Müll gibt. Und wer will schon Schuld daran sein, dass jeden Tag Seevögel oder Meerestiere wegen unserem Plastikmüll sterben. Doch ebenso wie wir uns um andere sorgen, müssen wir auch für uns sorgen. Und ein großer Teil davon ist, unsere eigenen Grenzen zu wahren.

Wir werden es nicht schaffen gänzlich plastik- und müllfrei zu leben und das ist auch okay. Sobald wir ein Baby haben, sind wir nicht mehr nur für unsere Gesundheit verantwortlich, sondern auch für die unseres Babys.

Doch es gibt noch viele andere Probleme, die durch unseren Fokus auf Müll in den Hintergrund rutschen. So sind Einwegprodukte oftmals sogar besser für die Umwelt, da deren Produktion weniger Energie und Ressourcen brauchen als die Herstellung von Äquivalenten Produkten in Mehrwegausführung (insbesondere dann, wenn die Mehrwegprodukte eine kurze Nutzungsdauer haben).

Außerdem ist auch unsere Zeit eine wichtige Ressource. Und wenn wir unsere Zeit hauptsächlich damit verbringen, Müll um jeden Preis zu vermeiden, bleiben andere wichtige Dinge auf der Strecke und wir laufen schnell Gefahr uns zu übernehmen.

Wollen wir also etwas für die Umwelt und unser Klima tun, ist es wichtig, dass wir uns nicht nur auf einen Aspekt konzentrieren, sondern das große Ganze im Hinterkopf behalten. Durch die Fokussierungsillusion, welche ich hier genauer erläutere, passiert es sehr schnell, dass eine gewisse Sache, alles andere (womöglich in Bezug auf das Klima viel relevantere) in den Hintergrund treten lässt. Und wir am Ende was das Klima betrifft nicht wirklich viel gewonnen haben.

Also bevor ihr im Wochenbett versucht Müll zu vermeiden, fragt Euch lieber, was ihr in dieser Zeit anderes sinnvolles tun könntet. Und tut lieber das. Die Zeit zum Müll vermeiden (oder um anderweitig aktiv zu werden) kommt noch früh genug…

Umfangreiche fachliche Tipps zum Wochenbett findet ihr übrigens hier.

Quellen

Joffe, Naomi, Flic Webster, und Natalie Shenker. “Support for breastfeeding is an environmental imperative.” BMJ 367 (2019).

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