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Du probierst Windelfrei? 5 Fehler, die Du vermeiden solltest

Während manche Eltern den großen Schritt wagen und Stoffwindeln statt Wegwerfwindeln verwenden, gehen manche aufs Ganze und wollen Windelfrei ausprobieren und ihr Baby abhalten. Denn Babys kommen mit einem angeborenen Instinkt auf die Welt, dass sie signalisieren können wenn sie mal müssen.

Windelfrei ist einmal eine fantastische Möglichkeit unseren Babys zu ermöglichen, dass sie diesen Instinkt nicht verlernen und außerdem eine große Erleichterung für uns, da sie oftmals viel früher trocken werden, als Kinder die ganz klassisch gewickelt werden

Zusätzlich ist es eine wahnsinnig tolle Möglichkeit die Umwelt und das Klima zu schonen, da wir wenn wir unsere Babys abhalten sehr viel Windelmüll oder -wäsche vermeiden können. Doch wenn wir allzu ambitioniert und mit zu viel Perfektionismus starten, kann aus dem Experiment “Windelfrei” sehr schnell eine extrem stressige Angelegenheit werden.

Damit aus dem Experiment eine möglichst erfolgreiche und stressfreie Routine wird, hier meine Top 5 Fehler, die Du vermeiden solltest, um Dir den Weg in einen windelfrei(er)en Alltag zu erleichtern:

1. Den Begriff “Windelfrei” benutzen

Auch wenn es im deutschsprachigen Raum das vorherrschende Wort dafür ist, Babys oder Kinder, die noch nicht eigenständig auf Toilette gehen können abzuhalten, bin ich persönlich kein Fan von diesem Wort. Es suggeriert, dass Kinder die abgehalten werden, keine Windel tragen. Und auch wenn viele der abgehaltenen Babys tatsächlich keine klassischen Windeln tragen, so tragen fast alle Kinder doch mindestens ein sogenanntes Back-Up, also eine Art Windel, die verhindert, dass alles nass wird, wenn wir mal ein Pipi verpassen. Bzw. das dafür sorgt, dass ständig und dauernd alles nass wird, weil wir gar nicht vermeiden können, mal ein Pipi zu verpassen.

Viel passender finde ich das, leider sehr sperrige, englische Wort elimination communication (Ausscheidungskommunikation), da es in keiner Weise suggeriert, dass wir keine Windeln brauchen (und uns dadurch unnötig unter Druck setzen), sondern, dass wir lediglich mit unserem Baby kommunizieren, bzw. versuchen auf Signale zu achten, die das Baby aussendet, wenn es mal muss.

Egal welches Wort Du im Alltag verwendest, denk dran, dass es nicht darum geht, dass Dein Kind keine Windeln braucht oder trägt, sondern darum, mit Deinem Kind zu kommunizieren.

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Foto von Rob Hayman auf Unsplash

2. Zu viel über Naturvölker lesen

Beschäftigen wir uns mit dem Thema Windelfrei, dauert es nicht lange und wir bekommen es mit Berichten und Studien über Naturvölker zu tun. Was anfangs wirklich hilfreich sein kann um ins Thema einzusteigen und um zu erkennen, dass Kinder nicht unbedingt Windeln brauchen, kann jedoch leicht in Druck oder Stress ausarten, wenn wir bei uns im Alltag merken, dass wir es anscheinend nicht so bravourös meistern unsere Kinder ohne Windel am Körper zu tragen, ohne nass zu werden.

Ja, wir kommen alle ohne Windel auf die Welt. Und ja, in vielen Gegenden der Welt gibt es Kinder die niemals eine Windel tragen. Diese Kinder bzw. deren Eltern haben aber auch kein Sofa zuhause oder einen Laminatboden, der bei Kontakt mit Flüssigkeit aufquillt. Und sie leben nicht in einer Gesellschaft, in der man schräg angeschaut wird, wenn man unterwegs versucht ein kleines Baby über ein Töpfchen zu halten. Wenn wir also anfangen uns mit Naturvölkern zu vergleichen, sollten wir nicht nur die Windelsituation vergleichen, sondern unseren gesamten Lebensstil.

Denn, Windeln wurden aus einem sehr guten Grund erfunden. Beispielsweise dafür, dass wir nicht komplett nass von oben bis unten sind, wenn wir mit unseren Kindern Bahn fahren und es nicht schaffen sie abzuhalten oder wenn unsere Kinder beim lesen oder spielen so konzentriert sind, dass sie es auf dem Sofa einfach laufen lassen.

Wie bei allem, gibt es auch bei Windelfrei sehr viele verschiedene Herangehensweisen und Einstellungen. Da ich ein großer Fan von Nicola Schmidt und ihren Büchern bin, habe ich mir viele ihrer Videos angeschaut, als ich mit Windelfrei begonnen habe. Mir persönlich hat ihr sehr entspannter und humorvoller Ansatz bei meinem Einstieg sehr geholfen. Hier eines ihrer Videos.

3. Gleich aufs Ganze zu gehen

Egal wie gut die Kommunikation mit unserem Baby klappt, wir werden nicht jedes Pipi auffangen. Und auch die viel zitierten Naturvölker fangen nicht jedes Pipi auf (wie bereits erwähnt haben sie keine Sofas oder teure Teppichböden, sie müssen demnach auch nicht jedes Pipi auffangen).

In der Theorie ist es natürlich gut, wenn wir so früh wie möglich mit Windelfrei starten, um dafür zu sorgen, dass unser Baby die angeborenen Reflexe, sich zu melden wenn es mal muss, nicht direkt verlernt. Doch sich im Frühwochenbett darauf zu versteifen unbedingt Windelfrei zu versuchen ist wirklich der falsche Weg.

Denn gehen wir einen Schritt zurück und überlegen worauf es im Wochenbett wirklich ankommt, stellen wir fest, dass es um das Wohlbefinden von uns und unserem Baby geht. Dass wir uns als Familie finden und uns von den Strapazen der Geburt erholen. Wenn Euer Baby wie wild signalisiert (manchmal schreien Babys wenn sie pinkeln müssen und lassen sich nicht anlegen, was wiederum zu großem Stress und Problemen beim Stillen führen kann), dann los, nehmt die Signale an und helft Eurem Baby.

In diesem Fall empfehle ich für den Anfang ganz konkret das Abhalten in eine Wegwerfwindel. Sie muss nicht ständig gewechselt werden, was weniger umziehen und somit weniger Stress für Euch und das Baby bedeutet. Am einfachsten macht ihr es Euch, wenn ihr die Windel beim Abhalten ganz leicht vom Körper zieht. So könnt ihr Eurem Baby signalisieren, dass ihr seine Bedürfnisse versteht, ohne jedoch das Abhalten zu Eurem Hauptjob zu machen, denn ganz kleine Babys müssen wirklich oft!

Wenn Euer Baby jedoch stundenlang selig schläft und glücklich in die Windel macht, dann freut Euch über diese Pflegeleichtigkeit und genießt es. Ihr ruiniert den Einstieg ins Abhalten nicht dadurch, dass ihr Euch am Anfang die Ruhe und Schonung gönnt, die ihr mehr als verdient habt. Mehr Tipps für ein möglichst entspanntes Wochenbett und warum ihr währenddessen besseres zu tun habt als Müll zu vermeiden, findet ihr hier.

4. Zu vielen Leuten davon zu erzählen

Als ich das erste Mal Mutter wurde, fühlte es sich für mich zeitweise so an, als wüsste gefühlt die halbe Welt besser über die Bedürfnisse meiner Tochter Bescheid, als mein Mann und ich. Von allen Seiten bekamen wir mal mehr, mal weniger nachdrückliche Ratschläge, wie wir es vielleicht doch besser machen könnten und was für unsere Tochter doch viel besser wäre. Sei es ob sie bei uns im Bett schläft oder nicht, wie oft ich sie stillen sollte und ob sie einen Schnuller braucht oder nicht. Und auch wenn es vermutlich nett gemeint war, es heißt nicht umsonst “Ratschläge sind auch Schläge”.

Kommt dann noch ein Thema wie Windelfrei hinzu, womit sich die meisten Menschen überhaupt nicht auskennen und was auf den ersten Blick zugegebenermaßen auch erstmal merkwürdig klingt (ich hätte mir z.B. vor 7 Jahren nicht vorstellen können, mal mein Baby über einem Töpfchen zu stillen), ist geradezu prädestiniert dafür, bei anderen widersprüchliche Reaktionen hervorzurufen. (Und Widerspruch oder seltsame Reaktionen oder nervige Frage, ist wirklich eine der letzten Sachen, die wir brauchen können, wenn wir gerade Eltern geworden sind und gerade beginnen uns mit dem Baby zurechtzufinden.)

Erzählen wir also zu vielen Menschen, dass wir Windelfrei machen bzw. unser Baby abhalten, dauert es nicht lange und wir bekommen komische Fragen gestellt und fangen im schlimmsten Fall an uns in Anwesenheit dieser Menschen selbst unter Druck zu setzen. Denn schließlich wollen wir, nachdem wir letzte Woche in großer Runde erzählt haben, dass wir unser Baby abhalten, dies auch unter Beweis stellen, oder?

Auch wenn die wenigsten Menschen Euch komisch anschauen werden, wenn ihr Euer Kind nicht abhaltet sondern ihm einfach ganz klassisch die Windel wechselt, ich persönlich habe mich oft in eben diesen Situationen ertappt gefühlt und hatte das Gefühl mich rechtfertigen zu müssen. Und jeglicher Stress oder Druck ist bei diesem Thema wirklich das aller letzte was ihr gebrauchen könnt.

(Außerdem sind wir doch gerade als Mütter schon genug Druck ausgesetzt und Standards die wir angeblich alle erfüllen sollten: liebevoll aber bloß keine Glucke, in Elternzeit weil ein Baby braucht die Mutter, aber bitte bloß nicht länger als 1 Jahr, denn Du willst ja nicht als Hausfrau enden, stillen ja unbedingt, aber bloß nicht länger als ein Jahr, das Kind wird ja sonst zu sehr verwöhnt und der Mann will ja schließlich die Brüste wieder für sich….)

Je weniger Menschen ihr also von Euren Plänen erzählt, desto weniger setzt ihr Euch selbst unter Druck, Euer Können unter Beweis zu stellen, dass ihr es wirklich schafft Euer Baby abzuhalten. Und wenn ihr anderen davon erzählt, könntet ihr es beispielsweise auch darauf beschränken, dass ihr versucht Euer Baby ab und zu abzuhalten um etwas Windelmüll zu sparen. Dafür haben eigentlich die meisten Leute Verständnis.

Ich beispielsweise habe wenn ich unterwegs war, mein Baby oft einfach in sein Mulltuch abgehalten und dann im Anschluss das Tuch gewechselt. So konnten wir auch unterwegs die Routine aufrecht erhalten, ohne dass es komische Blicke provoziert hätte. Es ist nämlich in den meisten Situationen außer Haus ziemlich schwer, das volle Töpfchen diskret zu leeren. (Außerdem kann ich gar nicht zählen, wie oft ich mir schon durch eine ungeschickte Bewegung von entweder mir oder dem Baby das volle Töpfchen übergeschüttet habe und das ist für unterwegs nochmal doppelt unpraktisch.)

5. Es als Nachhaltigkeits Challenge sehen

Das tolle daran, wenn wir unser Baby abhalten ist, wenn es wirklich klappt, wir merken wie gut die Kommunikation mit unserem Kind funktioniert und wenn die Windelberge überschaubar bleiben oder sogar komplett ausbleiben.

Das schlechte, wenn es nicht klappt, entweder generell oder phasenweise und wir plötzlich diese Berge an Wäsche oder Müll sehen, die wir doch eigentlich der Umwelt zuliebe vermeiden wollten. Und besonders wenn wir schonmal eine Phase hatten, mit wenig oder kaum nassen Windeln, fällt es schwer zu dauerhaft nassen Windeln zurück zu gehen. Es fühlt sich wie ein Schritt zurück an.

Und da die meisten, die ihr Baby abhalten, dabei auch an die Umwelt denken, können wir uns schnell als Versager:innen fühlen, wenn wir doch wieder mehr Windelwäsche oder -müll produzieren als eigentlich geplant war.

Alle meine Kinder hatten im Windelalter mindestens eine Phase, während der sie sich partout geweigert haben abgehalten oder aufs Töpfchen gesetzt zu werden. Und da ich in diesen Phasen mit Mulltücher wechseln kaum noch hinterherkam und dadurch den halben Tag mit Pipi beschäftigt war, musste ich irgendwann einfach auf Wegwerfwindeln umsteigen, so schwer mir das als Vollblutöko auch fiel.

Windelfrei ist also einerseits eine prima Möglichkeit um Klima und Umwelt zu schonen, andererseits auch nicht, da der Erfolg oft nicht in unserer Hand liegt und wir uns und unser Kind nicht wegen Klima und Umwelt unnötig stressen sollten.

Alles was Du also tun kannst, ist das annehmen, wozu Dein Kind bereit ist. Und wenn es sich nicht abhalten lässt und einfach konstant in die Windel macht, dann ist das nicht Deine Schuld und Du solltest Dich deswegen nicht schlecht fühlen. Auch wenn Dein Öko Herz bei jeder Windel blutet die Du in den Müll oder in die Wäsche werfen musst.

Welche Erfahrungen hast Du mit Windelfrei gemacht? Hast Du Deine Kinder von Geburt an abgehalten? Erzähl mir gerne davon in den Kommentaren oder verlinke mich auf insta 🙂

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